misstrauen säen

vyacheslav-molotovAm 3. Juli hat die Parlamentarische Versammlung der OSZE auf Antrag der litauischen Abgeordneten Vilija Aleknaite Abramikiene  – unter Bezugnahme auf eine Initiative des Europaparlaments vom April 2009 – im Rahmen der ‘Vilnius Deklaration’ eine Resolution angenommen, in der Nazi-Deutschland und der Sowjetunion gleiche Anteile der Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zugewiesen werden. Die Grundlage für den Krieg sei der Molotov-Ribbentrop-Pakt (‘Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der UdSSR) vom 24. August 1939 (datiert auf den 23.8.) gewesen. Der 23. August solle fortan ein ‘Tag der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und des Stalinismus’, der Massenvertreibungen und der Vernichtung  sein.

Diese Resolution hält der mehrheitlichen Interpretation der Historiker nicht stand. Dieser Vertrag war nicht zuletzt eine Reaktion der Sowjetunion auf das Münchner Abkommen von 1938 über die Aufteilung der Tschechoslowakei gewesen. Zum Münchner Treffen zwischen Deutschland, Italien, dem Vereinigten Königreich und Frankreich wurde die UdSSR nicht eingeladen. In der sowjetischen Führung war die Sorge gewachsen, Frankreich und Großbritannien könnten bei einem Angriffskrieg Deutschland an seiner Ostgrenze neutral bleiben und eine deutsche Aggression gegen die Sowjetunion dulden. Die im Mai 1939 begonnenen Verhandlungen zwischen Frankreich, der UdSSR und Großbritannien hatten zu keinem Ergebnis geführt.

Die geschichtswissenschaftliche Debatte über die Ursachen, Motive und Schritte zum deutsch-sowjetischen Abkommen ist eine höchst komplexe und kann in diesem blog nicht dargestellt werden. Inwiefern die Abgeordneten der PV der OSZE zu einem begründeten und abgesicherten Urteil über diese historische Zäsur in der Lage sind, ist zweifelhaft.

Dieser Schritt ist aber geeignet, zusätzliches Misstrauen zwischen den Mitgliedsstaaten der OSZE zu säen und politisch gänzlich schädlich und verzichtbar. Der Eindruck vermag nicht zu verblassen, dass gerade die baltischen Staaten und Polen daran interessiert sind, eine revisionistische Geschichtsschreibung voran zu treiben.

3 thoughts on “misstrauen säen”

  1. Dieser Eindruck trügt nicht, denn die baltischen Staaten und Polen legen ja auch starken Wert darauf, festzuhalten, dass sie zum Ende des 2. Weltkrieges nicht von der Nazi-Diktatur befreit, sondern von der Roten Armee “okkupiert” worden sind. Einer ähnlichen Diktion befleißigen sich übrigens auch die diversen”Keller”-und Neo-Nazis Österreichs und Deutschlands, die zudem betrauern, dass die Wehrmacht dazumal “unverdient besiegt” wurde und
    “schändlich” kapitulieren musste.
    Politologisch interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings die Tatsache, dass alle diese Dinge (inklusive Revisionismus) sowohl in Russland als auch im Europa der EU ausgerechnet jetzt wieder “hochkochen”. Als gäbe es derzeit nicht andere – aktuellere und weltumfassende – Spannungen weit größerer Dimension zu bewältigen. Offenbar ist deren Dimension aber derart Angst einflößend, dass man sich auf die “vertraute” Ebene altbekannter Konflikte “zurückzieht”, um sie noch einmal zu “lösen” ….

  2. Danke für den Hinweis von Prof. Mangott, wäre mir nämlich sonst entgangen. Erinnert mich jedoch stark an den sog. deutschen Historiker-Streit der späten 1980er Jahre: Ernst Nolte und Michael Stürmer gegen Jürgen Habermas. Und die damaligen Folgen. Und an das unvergessliche Diktum von Michael Stürmer in der FAZ (damals u.a. Berater von Helmut Kohl):

    … „dass in [einem] geschichtslosem Land die Zukunft gewinnt, wer die Erinnerung füllt, die Begriffe prägt und die Vergangenheit deutet.“

    Sind wir schon wieder so weit? Revisionismus, ein scheinbar pro-amerikanischer noch dazu, aus dieser Ecke? Gelegentlich zweifle ich am Verstand, zwar nicht an meinem, aber dem anderer.

    Georg Schöfbänker

  3. Es naht der 1. September 2009 und damit die 70. Wiederkehr des Kriegsbeginns durch Hitler-Deutschland. Dem war im August der von Sebastian Haffner so bezeichnete “Satanspakt” zwischen den Beauftragten Hitlers und Stalins vorausgegangen, ein Faktum, das revisionistische Kreise im Baltikum nun immer stärker zum Vorwand nehmen, um die “Schuld” für den 2. Weltkrieg nachträglich “gleichmäßig” auf beide Kontrahenten zu verteilen. Jüngst geschah das wieder in einer estländischen Zeitung, die den Molotov-Ribbentrop-Pakt als “Beweis” dafür anführte, dass beide Staaten aus Eigeninteresse gleich verantwortlich für den Ausbruch des Weltkrieges gewesen sind. Die “Revisionisten” tummeln sich also ungenierter denn je in allen Lagern herum und spekulieren mit der Vergeßlichkeit des Publikums bzw. mit dessen Unvermögen und Unwillen, aus der Geschichte etwas für die Gegenwart Brauchbares zu lernen. Heute ist übrigens der 65. Jahrestag des misslungenen Attentats der Wehrmachtskreise um Stauffenberg auf A. Hitler.

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