gas aus turkmenistan. überlegungen

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Gaslieferungen aus Turkmenistan sind ohne massive Investitionen in die Exploration und die Entwicklung neuer Gasfelder, die Modernisierung der Fördertechnologie und des Leitungsnetzes und Investitionen in das Humankapital und die Transportinfrastruktur nicht nachhaltig zu sichern. Darin liegt ein erheblicher (verdeckter) Kostenfaktor im Gasgeschäft mit Turkmenistan. Die VR China ist zu dieser umfassenden Geschäftsbeziehung mit Turkmenistan bereit; Russland hat dieses Konzept erfolgreich in Usbekistan umgesetzt.

Ein weiterer entscheidender Faktor im Gasgeschäft mit Turkmenistan sind Dauer der Gaslieferverträge und die eingesetzte Preisformel: Im sowjetisch-europäischen Gashandel waren beide Vertragsparteien an langfristigen Geschäftsbeziehungen interessiert. Die europäischen Staaten strebten nach langfristiger Versorgungssicherheit, die Sowjetunion nach garantierten Absatzmärkten, weil der Bau der Gasleitungen hohe finanzielle Investitionen erfordert hatte, die es zu amortisieren galt. Die Gaslieferbeziehungen Turkmenistans mit seinen Kunden – insbesondere mit der EU – werden andere sein, denn in diesem Fall bauen die Konsumenten die Lieferleitungen bis an die Landesgrenzen des Versorgers, d.h. sehr nahe an die Förderstätten. Der Kostenaufwand des Produzenten für die Exportleitungen ist also sehr gering. Das erlaubt dem Produzenten mehr Flexibilität hinsichtlich der Vertragsdauer, da der Amortisierungsdruck gering ist.

Dazu kommt ein zusätzlicher entscheidender Faktor: die Sowjetunion und bislang Russland konzentrierten sich auf einen geografischen Absatzraum – Europa – und errichteten die Exportinfrastruktur von den Lagerstätten ausschließlich nach Europa. Die zentralasiatischen Förderländer, allen voran Turkmenistan, bauen Exporttrassen in unterschiedliche Regionen – Russland, VR China, Iran, Afghanistan-Pakistan-Indien, Türkei, EU. Dadurch erhalten diese Gasförderländer eine hohe Diversifizierungsfähigkeit, die sich wiederum auf die Dauer der Gaslieferverträge, aber auch auf die Preisgestaltung auswirken kann. Tendenziell kann daher von einer strukturellen Verteuerung der Gaslieferungen und von einer kurzfristigeren Liefergarantie ausgegangen werden.

Foto: http://www.asianews.it/index.php?l=en&art=10806

10 thoughts on “gas aus turkmenistan. überlegungen”

  1. Turkmenistan befindet sich bezüglich seiner Absatzmöglichkeiten sicher in einer für das Land günstigeren Position als zum Beispiel die jetzige Russländische Föderation.
    Dies könnte im schlimmsten Fall die Versorgungssicherheit der EU nicht weiter erhöhen und ein ähnliches Szenario wie zur Zeit in der Ukraine, mit jährlich stattfindenden Neuverhandlungen heraufbeschwören.
    Die Tatsache, dass noch nicht genau klar ist wie groß die turkmenischen Vorkommen tatsächlich sind und ob diese neben einer langfristigen Lieferung nach China und Russland (mit denen das Land bereits entsprechende Abkommen geschlossen hat), auch zur Einspeisung einer ausreichenden Menge in Nabucco reichen, trägt nicht zur Erhöhung der Versorgungssicherheit bei.
    Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Turkmenistan den Vorwand einer Gasknappheit heranziehen wird (auch wenn diese nicht exisitieren sollte) um Verträge mit seinen Abnehmnerstaaten neu auszuverhandeln und einen höheren Preis zu erzielen. Das langfristige Verträge hierbei nicht im Interesse Turkmenistans sind ist logisch.
    Zudem macht der nicht geklärte Status des kaspischen Meeres einen Bau einer Pipeline durch dieses sehr riskant.

    Um das Szenario einer neuen Erpressbarkeit zu umgehen, wäre es empfehlenswert für Europa aus möglichst vielen Ländern der Region Gas für Nabucco zu beziehen, was auch den Iran und Vorkommen im Nordirak miteinschließt. Diese Diversivizierung würde der EU einen gewissen Spielraum in Verhandlungen mit einzelnen Lieferstaaten bringen und könnte sich positiv auf Preisgestaltung und Vertragsdauer auswirken.

  2. @ Lucas:
    Nabucco ist in puncto “Versorgungssicherheit für die EU” in jeder Hinsicht ein unkalkulierbares Risiko mit höchst ungewissem Ausgang. Der könnte schlimmstenfalls sogar ein “stranded investment” mit unwirtschaftlichen Nachfolgewirkungen sein, von etwaigen politischen Komplikationen hinsichtlich Iran gar nicht zu reden. Aber Ruttensdorfer (dann in Pension) wird das alles nicht mehr zu rechtfertigen haben. Er wird dann auch nicht mehr am “European Round Table of Industrialists” in Brüssel sitzen …

  3. @ Lucas:
    Die politischen Komplikationen mit dem Iran sind im übrigen bereits da. Denn die Schauprozesse gegen eine französische Staatsbürgerin (Sprachlehrerin) sowie gegen Personal der britischen und französischen Botschaft in Teheran, die jedweder Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechen und eine skandalöse Farce darstellen, haben den schärfsten Protest der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft hervorgerufen. Dies mit voller Berechtigung.
    Es erscheint schwer vorstellbar, dass ein Staat, der die allgemeinen Menschenrechte derart mit Füssen tritt, durch Bezahlung für bezogenes Gas auch noch extra “belohnt” wird. Somit wird NABUCCO nach Fertigstellung mangels ausreichenden Gasdurchsatzes völlig unwirtschaftlich sein. OMV-CEO Ruttenstorfer aber wird möglicherweise sogar schon früher die Pension genießen, sollten sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bezüglich “Insider-Geschäfte” mit Aktien als wahr und berechtigt herausstellen. Die OMV AG kommt – davon unabhängig – als Konsortialführerin der Pipeline-Gesellschaft so und so in die Zwickmühle, dies jedenfalls zum Gaudium des Gasliefer-Konkurrenten Gazprom!

  4. Ich denke jedoch, dass sobald die Pipeline fertiggestellt ist und ein eklatanter Mangel an verfügbarem Gas festgestellt wird, werden spätestens dann sämtliche Vorbehalte bezüglich einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Regime fallen gelassen. Interessen werden sich letztlich wieder als stärker als moralische Verpflichtungen erweisen. Dies zeigt sich auch an der Zusammenarbeit der EU mit anderen, die Menschenrechte nicht beachtenden, Regimen.
    Es bleibt nur zu hoffen, dass bis zu dem Zeitpunkt, wenn die EU sich entschließt Geschäfte mit dem Iran zu machen, nicht andere Akteuere mit weniger Skrupel (China, Indien und andere) bereits sämtliche Lieferkapazitäten unter ihre Kontrolle gebracht haben. Ansonsten sieht es tatsächlich düster aus für Nabucco und europäische Energiesicherheit im 21. Jahrhundert.

  5. @ Lucas:
    Es geht nicht um “moralische Verpflichtungen”. Mit einem theokratischen Staat, der individuelle Menschenrechte eklatant missachtet, “Gotteskrieger” anderswo in ihrem Djihad (“heiligen Krieg”) gegen “Ungläubige” (bis hin zu deren “logischer” Ermordung) und gegen das demokratische System finanziell unterstützt, dürfen seitens der EU keine für dieses Regime lukrativen Geschäfte getätigt werden. Es sei denn, Europa gibt sein Wertesystem und sich selbst auf. Dann aber ist es wirklich nicht schade um die Grundrechte und die Freiheit in “unserer” Zivilisation (der “offenen Gesellschaft” nach Karl Popper), die zu verteidigen infolge Indolenz niemand mehr bereit zu sein scheint …

  6. Konsequenterweise müsste die EU Ihrer Diktion folgend auch den Handel mit Staaten wie Saudi-Arabien, Syrien, und ähnlichen einstellen. Auch diese Regime missachten individuelle Menschenrechte eklatant und unterstützen sog. Gotteskrieger. Sollte sich also Europa in merkantilistischer Weise vom Welthandel abkoppeln? Oder hat es sein Wertesystem schon aufgegeben?

    Ich denke die Gefahr für das europäische Wertesystem droht nicht vom Handel mit diktatorischen Regimen, sondern von zunehmender Toleranz undemokratischer Praktiken durch die europäische Gesellschaft im Glauben liberalen Ideen zu folgen. Beispiele hierfür sind die Diskussion um die Geltung der Sharia in Großbritannien und der BRD, oder die Diskussionen um den Karikaturenstreit in Dänemark.

    Die Energieträger, welche aus derartigen diktatorisch regierten Staate nach Europa importiert werden, sind für die europäische Wirtschaft unerlässlich. Ein Verzicht auf diese würde nur Europa schaden, nicht jedoch zum Sturz dieser Regime beitragen, da es nach wie vor genug Akteure gibt, die gerne bereit sind Geschäfte mit diesen Staaten zu machen.
    Und vom Handel mit dem Iran wird nicht nur der Iran profitieren, sondern vorallem Europa, da es seine Gasversorgung für das 21.Jahrhunder sichert und differenziert.

  7. Nur der Genauigkeit halber: “Die EU” treibt keinen Handel mit den genannten Staaten, auch nicht mit dem Iran. Sondern es sind die einzelnen Mitgliedstaaten der EU, die ihren Firmen den Abschluss von etwaigen Handelsverträgen ermöglichen, soferne nicht Sanktionsbeschlüsse seitens des UN-Sicherheitsrates vorliegen. Ähnlich verhält es sich bei dem NABUCCO-Projekt, dessen Abwicklung einem Konsortium von Energieversorgungsunternehmen unter Führung der OMV unterliegt und das teilweise mit EU-Geldern über die EIB direkt unterstützt wird. Nach Fertigstellung der Pipeline wird aus diversen Lieferländern Gas aufgrund von gesondert abgeschlossenen Verträgen dieser Länder mit einzelnen Gasversorgungsunternehmen der EU eingespeist werden, womit wir wieder bei der österreichischen (ÖIAG!) OMV angelangt wären. Denn diese denkt dabei als möglichem Lieferland auch an den Iran, um die Wirtschaftlichkeit des Projektes sicher zu stellen, die ansonsten nicht als gegeben erscheint. “Profitieren” würde von diesem Geschäft zuvorderst die OMV AG, dann aber auch deren Vertragspartner im Iran, wenn dieser klug verhandelt, was anzunehmen ist, da sich die OMV in einer unbequemen Ausgangslage befindet. Alles nicht sehr lustig für Herrn Ruttenstorfer, der außerdem mit dem aktiven Widerstand der USA gegen das beabsichtigte Geschäft mit dem Iran rechnen muss.

  8. Der Besuch Netanjahus in Berlin und die Zusicherung Angela Merkels für Sanktionen gegen den Iran im Energiebereich macht eindeutig klar: Die OMV wird sich mit ihren Bestrebungen, Gas für die NABUCCO-Pipeline auch aus dem Iran beziehen zu wollen, zum “nicht gesellschaftsfähigen” outsider des Westens (mit allen daraus folgenden Konsequenzen) machen. Niemand dort wird Verständnis für diese unsolidarische Geschäftspolitik aufbringen.

  9. Und da derartige Beschlüße des SC nicht vorliegen, wird man der OMV von Österreichischer Seite den Handel mit dem Iran nicht verbieten, sondern im Interesse der Energiesicherheit diesen unterstützen und die Einspeisung iranischen Gases begrüßen.

    Zu den Aussagen Merkels: Sobald die Pipeline fertig gestellt ist, und man feststellt, daß sie ohne Gas aus dem Iran nicht wirtschaftlich ist, wird sich Merkel, falls sie dann noch im Amt ist, wohl auf den Gründungsvater ihrer Partei beziehen und den Handel letztlich nicht behindern.

  10. Ich fühle mich durch ein Interview mit Prof. Mangott im heutigen (1.9.)”WirtschaftsBlatt” (“Bei Nabucco fehlt die Kostenwahrheit”) in meinen Ansichten über die prekäre Wirtschaftlichkeit dieser Pipeline teilweise bestätigt. Auch lässt Prof. Mangott im Zusammenhang mit Iran-Geschäften einen politischen Druck der USA erkennen und bedauert, dass “EU-Staaten nachgeben”. Er führt als Gegenbeispiel die Schweiz an, die sich dem Druck der USA nicht gebeugt habe, übersieht aber dabei, dass der amtierende Schweizer Bundespräsident soeben zu Gadaffi nach Tripolis gepilgert ist, um die nach dem Eklat um Gadaffis Sohn in Genf unterbrochenen Öllieferungen Libyens in die Schweiz wieder zum Sprudeln zu bringen und zwei als Faustpfand in Libyen gehaltene Schweizer Geschäftsleute wieder nach Hause zu bringen. Zumindest letzteres ist einstweilen gescheitert, “wichtiger” ist sowieso das Öl. Schließlich hat die Schweiz aber auch gegenüber den USA nachgegeben, und zwar in der Angelegenheit der Konten mutmaßlicher US-amerikanischer Steuerhinterzieher auf der Schweizer Bank USB, wo Außenministerin Clinton mittels eines “Abkommens” ihre Amtskollegin Calmy-Rey ziemlich unter Druck gebracht hat.
    Im übrigen hat Prof. Mangott recht, wenn er im Interview meint, dass “die österreichische Regierung der OMV nicht die Rückendeckung gibt, die sie bräuchte.” Man kann das jedoch auch so sehen, dass die transnationalen EVU’s Europas in ihrer Geschäftspolitik unabhängig von der “Gunst” ihrer jeweiligen nationalen Regierungen agieren und diese eventuell bei Anlass nur als “Türöffner” in anderen Staaten benötigen. Sich jedenfalls anders gerieren, als Gazprom, die zielbewusst im besten Einvernehmen mit dem Kreml arbeitet.

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