Ich wurde von Präsident Medvedev zur Teilnahme am ‘Global Policy Forum’ in Jaroslavl eingeladen, das dieser Tage stattfindet. Im Vorfeld wurde ich zu einem Interview eingeladen, das auf der offiziellen website des Forums veröffentlicht werden sollte. Heute teilte man mir mit, dass es nicht online gestellt werde, weil es zu kritisch sei. Zudem wurde eine verkürzte, gesäuberte und entstellte Version auf einer anderen website veröffentlicht. Mal sehen ob ich die Gelegenheit bekomme, dies Medvedev persönlich zu sagen.
Here you can read the draft interview, which was rejected by the informal Russian GlavLit.
Erstaunlich, dass es hierzu bis jetzt noch keine kommentierenden Reaktionen gegeben hat. Offenbar wird “Zensur in Russland” für völlig normal gehalten, worüber sich nur direkt davon Betroffene alterieren …
Herr Heiden, das stimmt nicht, damit tun Sie allen engagierten russischen Journalisten mehr als Unrecht!
Endlich eine Stimme des Protests! Aber ich meinte ja eigentlich Reaktionen von außerhalb Russlands …
Na ja, Russland ist in der Entwicklung der Demokratisierung und der sogenannten “Medienpluralität” stecken geblieben, die meisten RussInnen verbinden Verschlechterung der persönlichen Lebensumstände mit Demokratie und Privatisierung, Schlagworte der Jelzin Ära. Dass Medien zensiert werden ist ein Mittel der Kontrolle über die öffentliche Meinung und ein Totschweigen von Problemen und Schlimmerem gegenüber der eingenen Bevölkerung. Außenstehende leiden ja nicht so sehr, auch nicht wenn ihre Texte der Zensur zum Opfer fallen. Publiziert kann auch woanders werden, sodass kritische Meinungen generell überallhin gelangen.
Eigentlich fehlt bisher noch eine Mitteilung von Prof. Mangott, ob er die Gelegenheit, seinen Unmut dem Präsidenten Medvedev direkt mitzuteilen, auch tatsächlich bekommen hat.
Heute (4.November) gab’s in der RF einen – seit kurzem neuen – Nationalfeiertag: Zum Gedenken der seinerzeitigen Befreiung Moskaus von der polnischen Herrschaft. Die Rechtsradikalen sind in Moskau – zu Tausenden – marschiert und haben (zum Teil mit antisemitischen Parolen) ungehindert gefeiert. Demonstranten für Demokratie dagegen sind unlängst niedergeschlagen und in Arrestantenwagen von der Polizei abtransportiert worden. Russland erwache!
… aus dem Schlaf der Resignation! Das ist aber nicht einfach nach 74 Jahren mundtot seins, die nicht geendet hat…
Prof. Mangott müsste sich nach seinen oben geschilderten Erfahrungen in Jaroslavl eigentlich durch den amtierenden US-Verteidigungsminister bestätigt fühlen, der gemäß den jüngsten WikiLeaks-Enthüllungen laut SPIEGEL gemeint hat, dass die Regierung der RF “eine von den Sicherheitsdiensten geführte Oligarchie” sei. Wladimir Putin hat sich in einem CNN-Interview übrigens dagegen verwahrt und gleichsam als “Retourkutsche” auf das – demokratisch – mangelhafte System der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen (mit den Wahlmännern) verwiesen.
Ich hätte nie gedacht jemals mit Putin einer Meinung zu sein, aber so wie Sie das schildern Herr Heiden, ist sein Einwand ja berechtigt. Amerika hat ein marodes Wahlsystem und Russland ein Machtproblem mit dem Dienst der Nachrichten.
Wladimir Putins Kommentar zur Fussball-WM-Entscheidung in Zürich: “Die Wahl Russlands (für 2018) … sagt viel aus über … unsere politische Stabilität”. Wenigstens die Fussball-Welt ist also in der RF in Ordnung – und nach Putins Meinung darüber hinaus noch wesentlich mehr …
Eigentlich wollte ich nichts mehr schreiben, denn ich fühle mich ähnlich dieser Karrikatur, auch mir wird der Mund verbunden und meine kritische Stimme hier in diesem Blog vom Mediator Gerhard Mangott einfach unterdrückt, auch wenn sie klug ist. Freiheit der Meinung gibt es hier nicht mehr…
“Heute teilte man mir mit, dass es nicht online gestellt werde, weil es zu kritisch sei. […] Mal sehen ob ich die Gelegenheit bekomme, dies Medvedev persönlich zu sagen.”
An welchen Medvedev soll ich mich wenden? 🙁
Meine Vernunft sagt mir, dass es sich nicht lohnt, sich zu ärgern, es ist einfach zu unwichtig, als dass auch nur noch ein Fünkchen Energie daran zu verlieren sei…
Das passiert mit kritischen, russischen Journalisten, um nocheinmal zu betonen, dass Gerhard Mangott wohl keiner direkten Gefahr ausgesetzt sein dürfte, da er Bürger eines kleinen und unbedeutenden Landes ist und wohl kaum für die Mächtigen Russlands unangenehme Enthüllungen der großen Art liefern dürfte:
http://tvthek.orf.at/programs/1225-ZiB-24/episodes/1776357-ZIB-24/1776371-Verleihung-Press-Freedom-Award
Wahrscheinlich ist dieser Link nur kurze Zeit aufrufbar, da die ORF Tvthek ihre Beiträge nach einer Woche löscht.
Vieles muss ich revidieren und vieles hätte ich am Besten nicht geschrieben. Differenzen können irrationales Handeln verstärken. Aber stolz bin ich, dass meine Gedanken letzten Endes doch an die Welt weiter gegeben werden und auch froh…