russischer druck und der aufrechte gang

Es wäre außergewöhnlich, hätte die diplomatische Vertretung Russlands in Wien ihre konsularischen Aufgaben zum Schutz des russischen Staatsbürgers nicht nachdrücklich wahrgenommen. Es wäre verwunderlich, wenn es sich dabei nur um Rechtsbeistand und technische Fragen gehandelt hätte. Es gibt keine Belege dafür, dass es auch inhaltliche Gespräche über die Substanz der Vorwürfe an Golovatov gegeben hat. Es ist aber nicht abwegig zu vermuten, dass die russische Seite deutlich gemacht hat, wie die russische Regierung eine Auslieferung Golovatovs an die litauischen Behörden bewerten würde.

Trotzdem – dies sind nur Vermutungen; ich halte die Vermutungen aber für berechtigt, weil in der russischen Tageszeitung  explizit auf einen Informanten aus dem russischen Außenministerium verwiesen wird, der Interventionen russischer Stellen bei den ‚österreichischen Partnern‘ bestätigt. Kommersant zählt zu den renommiertesten Zeitungen Russlands; die Redakteure sind professionell, ihr Chefredakteur sehr angesehen. Kommersant hätte diesen Informanten nicht zitiert, wenn Vladimir Solovjov, der Autor des Artikels, die Quelle nicht für glaubwürdig erachten würde. Dies umso mehr, als der Eigentümer dieser Zeitung, Ališer Usmanov, mit der Führung Russlands ausgezeichnet vernetzt ist.

Es ist also sehr wahrscheinlich, dass es politischen Druck Russlands gab. Es lässt sich aber nicht sagen, ob der Druck Russlands tatsächlich der Grund für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft war, Golovatov zu enthaften; ich wäre aber auch nicht überrascht, wenn es der russische Druck war, der letztlich zur Enthaftung führte.

Nach den vorliegenden Informationen waren die litauischen Behörden angeblich nicht in der Lage, der Staatsanwaltschaft Korneuburg ausreichende Dokumente zum Tatverdacht gegen Golovatov vorzulegen. Das ist erstaunlich; Litauen sollte in der Lage sein, ein rechtlich einwandfreies Dossier über den – nach litauischer Diktion – Kriegsverbrecher Golovatov  umgehend vorzulegen. Allerdings ist es auch verwunderlich, warum die österreichischen Behörden den litauischen Stellen nicht die rechtliche zulässige Zeit eingeräumt haben, den Tatverdacht zu begründen.  Das ist äußerst eigenartig und erklärungsbedürftig. Es ist zu verstehen, wenn dieses Verhalten Österreichs Misstrauen hervorruft; und die nicht nur bei litauischen Stellen.

Foto: http://www.europarl.europa.eu/president/view/en-de/press/press_release/2011/2011-January/press_release-2011-January-11.html

4 thoughts on “russischer druck und der aufrechte gang”

  1. “Erklärungsbedürftig”, wenn es denn auch wirklich erklärt und nicht in der soeben auf Wunsch Frau Karls eingerichteten “bilateralen Arbeitsgruppe” (Justizministerien Litauens und Österreichs) zerredet wird …

  2. Unnötig dieser Kommentar, man kann viel vermuten, und natürlich hat die russische Föderation Interesse, ihre Staatsbürger zu schützen (wie die U.S. Amerikaner auch mit all ihren Vorbehalten zu internationalen Verträgen). Daraus eine plumpe Intervention abzuleiten, was Medien nun tun, ist jedenfalls unsinnig.
    Im Übrigen sollte Litauen nicht Drittländer (oder die EU) in seine Vergangenheitsaufarbeitung hineinziehen, sondern dass mit der RF selber ausmachen. In diesem Zusammenhang von Kriegsverbrechen zu sprechen ist lächerlich und rechtlich unsinnig.

  3. Sowohl als wissenschaftlicher als auch publizistischer Beobachter sind Fragen zu stellen, Plausibilitäten abzuwägen, wenn in einer kontroversen Konstellation keine ausreichenden Informationen aller betiligten Akteure zur Verfügung gestellt werden. Nachfragen unnütz zu finden, ist Ihr gutes Recht. Im Übrigen ist der Kern meines Kommentars nicht, der russischen Seite die Ausübung von Druck vorzuwerfen – das ist die Aufgabe eines Staates beim Schutz eines Staatsbürgers gegenüber Drittstaaten – sondern die Frage, inwiefern österreichische Behörden diesem Druck nachgaben.

  4. Nicht genaues Hinschauen, wie es Finnen, Tschechen und Zyprer praktizierten (Zypern als “Waschanstalt” für heißes russisches Geld!), zeugt natürlich auch nicht gerade von “aufrechtem Gang”.

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