Beunruhigend und verstörend sind die sich mehrenden Rufe nach einer militärischen Aktion gegen das iranische Regime. Die unterstellte Absicht des iranischen Regimes, Israel zu vernichten, wird als drohende zweite, diesmal nukleare, Shoah bezeichnet. Aus diesem Zerrbild der Sicherheitslage im nahöstlichen Raum wird dann unweigerlich die dringliche Notwendigkeit militärischer Maßnahmen gegen den Iran eingefordert. Aus Scham wird – bevor diese Forderung erhoben wird – in kurzen Nebensätzen gerade nochmal erklärt, dies gelte natürlich nur, wenn Sanktionen und Verhandlungen nichts nützten. Dass diese aber ohnedies erfolgslos bleiben würden, wird angedeutet und unterstellt.
Die Mahner vor einer zweiten, von den fanatisierten Iranern verbrochenen Shoah emotionalisieren damit eine Debatte, die nüchtern, sachlich,realistisch und lösungsorientiert sein sollte. Dadurch werden besonnene und umsichtige Vorschläge, wie mit vermutlich militärisch nutzbaren atomaren Aktivitäten Irans umzugehen sei, abgedrängt. Durch den beharrlichen, aber völlig unredlichen, bisweilen schmutzigen Vorwurf, die Mahner zur Besonnenheit wären Antisemiten, wird versucht, eine sachliche Debatte zu unterbinden. Die Gefahr, als antisemitisch gebrandmarkt zu werden, lässt einen zögern, Vernunft und Sachlichkeit einzumahnen und dem emotionalisierten Kriegsgeschrei entgegenzutreten. Die Angst, als antisemitisch bezeichnet zu werden, ohne es zu sein, lähmt das freie Denken.
Shoah-Bellizisten gehen aber in ihren Einlassungen vielfach auch noch einen Schritt weiter: Nicht nur Israel sei von der Auslöschung bedroht, sondern dem fanatischen Regime des Iran wird sogar die Fähigkeit und die Absicht zugeschrieben, gleichsam die gesamte aufklärerische Moderne hinwegzufegen. Der Gegner wird damit immer monströser, die Gefahr eine geradezu existentielle, womit der Krieg gegen den Iran zur völlig selbstverständlichen Notwehr der bedrängten und bedrohten westlichen Zivilisation wird.
Solange die Debatte über die Sicherheitslage im Nahen Osten unter dem Deutungsvorbehalt des Verzichts auf Kritik an Israel steht, ist sie nicht sinnvoll führbar. Wo der Vorwurf des Antisemitismus eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Gemengelage an Konflikten in der Region verhindern soll oder gar zu verhindern mag, wird die Denk- und Redefreiheit beschnitten.
Die Kritik an der islamistischen Ablehnung, humanistischer Werte, ist mehr als berechtigt und notwendig. Aber den Iran als dämonische Inkarnation desselben darzustellen, ist zu einfach und reduziert die Komplexität der Lebenswirklichkeit in der Region. Weder Islamophobie und der Rückgriff auf den Antisemitismusvorwurf, noch der islamistische Wahn sind gute Ratgeber für den Umgang mit Iran.
Die militärische Nuklearoption des Iran ist eine unglückselige Entwicklung, die es zu verhindern gilt, wenn auch die Instrumente des Dialoges, der Verhandlungen und der gezielten Sanktionen bislang kaum Ergebnisse zeigen. Auch wenn es ratsam und nützlich wäre, über die Motive des iranischen Rüstungsplanes nachzudenken, ist es vorrangig, dessen Unterbindung möglich zu machen. Aber zugleich muss nachdrücklichst vor der unverantwortlichen und gefährlichen, weil emotionalisierten Losung zu warnen, die immer mehr Anhänger zu finden scheint: ‚Entweder Bomben auf Iran, oder die iranische Bombe‘.
Wenn die nukleare Waffenoption Irans durch zivile Mittel nicht verhindert werden können sollte, ist dies nicht als automatischer Schrankenöffner für einen Krieg gegen den Iran zu werten. Die Option ist nicht ‚Nuklearverzicht oder Krieg‘, sondern Einhegung eines dann nuklear bewaffneten Iran durch ein durchdachtes und besonnenes System der regionalen Abschreckungslogik. Die nukleare Bewaffnung Israels und der nukleare Schutzschirm der USA über die Region sind taugliche und ausreichende Instrumente dazu. Dies umso mehr, als die Kriegsbefürworter kein einziges sachliches Argument dafür liefern können, warum das iranische Regime die atomare Waffe gegen Israel einsetzen sollte, sobald es über diese verfüge.
Die ständigen Bezüge auf die widerwärtigen Auslassungen Achmadi-nejads taugen dazu nicht. Sie verkennen die komplexen, sich wechselseitig ausbalancierenden Institutionen der islamischen Diktatur in Iran. Iranische Außen- und Sicherheitspolitik ist nicht der verlängerte Arm der fanatisierten Rhetorik Achmadi-nejads. Das wirre Gefasel ist nicht das Drehbuch des iranischen Verhaltens in der Region. Iran ist kein irrationales Regime, das seine Selbstvernichtung anstrebt, auch wenn es Aussagen Achmadi-nejads manchmal nahelegen. Europäische Iranpolitik soll sich nicht in der Gedankenwelt dieses fanatisierten Irrlichtes verfangen.
Wer aber beharrlich an der Dämonisierung des Iran als den unausweichlichen atomaren Vernichter des jüdischen Staates Israel arbeitet, missbraucht die Erinnerung an die Shoah oder aber benutzt diese fahrlässig.
Der Missbrauch des Genozids ist jedoch auf beiden Seiten zu bemerken: Die einen wollen mit dessen Leugnung die Existenzlegitimität Israels untergraben, die anderen betreiben eine unreflektierte Instrumentalisierung der Geschehnisse um sich die Legitimität der Bevölkerung für ein härteres Vorgehen (wie auch immer das aussehen möge) geg. Iran zu verschaffen und versuchen die Situation – mit Rückberufung auf den Holocaust – zu dramatisieren. Die Realität sieht jedoch so aus, dass die Juden keine (existenziell) bedrohte Minderheit innerhalb eines Staatsgebietes mehr darstellen, sondern dass sie sich mit einem eigenen Gebiet und einer eigenen zentralen pol. Autorität identifizieren. Das jüdische Volk hat sich aus seiner Opferrolle herausentwickelt und muss sich als nukleare Macht im internationalen System behaupten. Die Argumentationen mit den unglaublichen Grausamkeiten des Holocaust haben zwar immer eine Aufsehenserregende Wirkung, beleuchten die komplexen Problemstellungen jedoch nur begrenzt.
Dass das Verhältnis des Iran zu den USA seit dem 1953 von der CIA inszenierten Putsch gegen Mohammed Mossadegh, dem einzigen demokratischen Regierungschef, den Iran je erlebt hat, und der danach erfolgten Einsetzung des Statthalters und Diktators Schah Reza Pahlewi von abgrundtiefem Misstrauen geprägt ist, ist nachvollziehbar. Gemäß der Nixon-Doktrin wurde das Land in der Folge als regionale Ordnungsmacht zum Schutz der Ausbeutung der Ölquellen durch westliche Gesellschaften massiv aufgerüstet. Nach der Revolution von 1979, die die Schah-Diktatur hinwegfegte und vom iranischen Volk als Segen empfunden wurde, drohte 1980 Präsident Jimmy Carter: "Jeder Versuch einer auswärtigen Macht, Kontrolle über die Region des Persischen Golfs zu erlangen, wird als Angriff auf die vitalen Interessen der USA betrachtet und wird mit allen Mitteln, einschließlich militärischer Gewalt, zurückgeschlagen werden". Seither betreiben die USA eine Einkreisungspolitik gegen den Iran. Als regionaler nuklearer Hegemon fungiert, stellvertretend für seine Schutzmacht USA, Israel. Es nimmt nicht wunder, dass das auf eine jahrtausendealte Tradition stolz zurückblickende iranische Volk diese Situation zunehmend als unerträglich empfindet und nach Möglichkeiten zu seiner Beseitigung sinnt. Bei der Wortwahl ist die politische Klasse wenig zimperlich, aber das gehört wohl zum Geschäft. Klar sollte aber auch sein, dass der amtierende Präsident, der derzeit aus durchsichtigen Gründen propagandistisch dämonisiert wird, nur ein besserer Sekretär des wahren Machthabers Ayatollah Ali Chamenei ist. Iran lebte aber bisher und lebt auch weiterhin vom Verkauf seines Öls. Nur soll dies auf eigene nationale Rechnung geschehen. Ein Regimewechsel, wie er von den USA mithilfe Israels angestrebt wird, wird vehement abgelehnt. Je mehr ein diesbezüglicher Druck auf den Iran ausgeübt wird, desto stärker wird das Volk nationalistischen Parolen folgen und sich hinter den Ayatollahs im Widerstand vereinigen – so wie seinerzeit gegen den von den USA aufgezwungenen Schah.
Für eine seriöse Debatte über einen ‚nuklearen
Iran’ unerlässlich ist eine Reflexion über die (Ir-?)Rationalität iranischer
Ambitionen in der internationalen Politik, was wiederum ganz wesentlich eine differenzierte
Analyse innenpolitischer Zusammenhänge des Iran erfordert. Wie der Artikel
richtig feststellt, ist eine sachliche Diskussion über diese beiden
essentiellen Aspekte – die Rationalität des internationalen Akteurs Iran & das
(das für ihre Außenpolitik relevante) Institutionengefüge der iranischen Diktatur
– derzeit leider nicht beobachtbar.
Mangott streicht nachvollziehbar
heraus, dass die iranische Außen- und Sicherheitspolitik nicht durch
Achmadi-nejads Wahn bestimmt wird, und der Iran als rationaler internationaler Akteur
anzusehen ist; als solcher könnte der Iran dann auch in ein regionales
Abschreckungssystem eingebettet werden. Ich bin nun alles andere als ein
Experte des iranischen Verfassungssystems, allerdings scheint es mir richtig
und notwendig zu betonen, dass es falsch wäre, von den totalitären
Wahnvorstellungen des iranischen Präsidenten perse auf ein totalitäres
Regierungs- und Gesellschaftssystem im Iran zu schließen. Der iranische
Gottesstaat ist zweifelsohne keine Demokratie, sondern ein autoritäres System
mit einigen unfassbar widerwärtigen ‚Rechtspraktiken’ – er ist aber eben nicht
totalitär, sondern ‚nur’ autoritär: Wenn zwar die iranische Gesellschaft auch nur
einen marginalen Einfluss auf das politische Geschehen auszuüben vermag, so
kennt iranische Politik durch das Spannungsverhältnis seiner verschiedenen
(vertikal kaum legitimierten) Institutionen doch ein Moment der Moderation, und
wird nicht durch eine alle staatlichen und gesellschaftlichen Felder vereinnahmende
Ideologie eines kranken Oberfunktionärs diktiert.
Zudem
denke ich, dass die neokonservative Sicherheitsdoktrin der ‚prevention’ (in
ihrer ursprünglichen, nicht durch die NSS02 verfälschten Bedeutung) zwar eine weit
sachlichere Diskussion verdient hätte,
als sie leider in den letzten Jahren von (alles Neokonservative als Kriegsübel
ablehnenden) kontinentaleuropäischen Medien gefördert wurde, und im Weiteren, dass
das Konzept der ‚prevention’ im Kontext von transnational operierenden
terroristischen Netzwerken tatsächlich auch große Gültigkeit beanspruchen kann;
allerdings scheint mir im Kontext so genannter ‚rogue states’ das
(neo-)realistische Paradigma der Rationalität staatlicher Akteure doch
weiterhin generell gegeben und die Sicherheitsdoktrin der ‚prevention’ unzutreffend.
So
weit, so gut … wäre mir im Kontext des sich verhärtenden internationalen Drucks
gegenüber dem Iran nicht unlängst ein meines Erachtens kaum berücksichtigter Gesichtspunkt zu Tage getreten, der die Frage nach der Rationalität iranischer Außen- und
Sicherheitspolitik erheblich in Frage stellt, und mich meine obigen
Ausführungen (die ich für korrekt erachtete, und immer noch für korrekt
erachten möchte) behutsam hinterfragen lässt. Dass der Iran allen Grund hat
nach der Atombombe zu streben, ist (historisch) angesichts der vielfach
erlittenen militärischen Bedrängung durch westliche Großmächte und arabische
Nachbarn und in Anbetracht der aktuellen regionalen Sicherheitslandschaft
einsichtig, und wird unter Berücksichtigung der gänzlich verschiedenen
US-Politik gegenüber dem (nicht atomar bewaffneten) Irak03 und (einem atomar
bewaffneten) Nordkorea noch viel verständlicher. Dass innerhalb des sehr
stolzen iranischen/persischen Volkes der Rekurs auf eine mit der Nuklearoption
verbundene Großmachstellung ein probates Mittel für das politische Überleben
des innenpolitisch sehr angeschlagenen Achmadi-nejad darstellen könnte, ist
ebenfalls offensichtlich. Es geht mir freilich auch nicht darum Achmadi-nejads Ideenwelt
zu geißeln (so berechtigt dies wäre), oder in diesem Zusammenhang der häufig
lancierten These zuzustimmen, die Irrationalität des Iran auf
international-militärischer Ebene ließe sich aus der ‚irrationalen
Holocaust-Leugnung’ herleiten (für mich ist die Holocaust-Leugnung schlichtweg
widerwärtig und dumm).
Was ich schlicht nicht verstehen kann,
ist, welchem strategischen Kalkül die widerwärtigen, häufig medial inszenierten
antisemitischen Ausfälle des iranischen Präsidenten folgen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse
über die Konsequenzen der mitunter auch internationalen Kommunikation von Achmadi-nejads
Auslöschungsphantasien gegenüber Israel soll dies zeigen. Ich will an dieser
Stelle auch gar nicht verhehlen (es wurde wahrscheinlich eh schon deutlich),
gefühlsmäßig ‚pro-israelisch’ eingestellt zu sein; dies allerdings keinesfalls
wegen religiöser oder ethnischer Identifikationskriterien – beide Kategorien
sind mir vollkommen fremd – bzw. einer ‚Islamphobie’, sondern einzig, weil das Staatssystem
Israel und seine Gesellschaft den Prinzipien einer aufgeklärt-humanistischen Wertegemeinschaft
weit näher stehen.
Weil die Kosten-Seite meines Erachtens
derart erdrückend ist, will ich mit dieser beginnen, um mich dann mit der
Nutzen-Seite nur kurz befassen zu müssen. Achmadi-nejads immer wiederkehrenden
entsetzlichen Äußerungen haben zumindest im Kontext des Iran-Konfliktes erreicht,
was für absehbare Zeit eigentlich als unmöglich erschien – die neokonservative
Sicherheitspolitik der Bush-Administration findet sowohl innerhalb des
demokratischen Lagers in den USA selbst als auch im sonst doch ‚so
pazifistischen Europa’ auf einmal wieder Anklang. Ich durfte in den USA selbst
miterleben, wie klassische core democrats, so sehr sie auch gegen die
Irak-Intervention wetterten, den Iran als große Bedrohung bezeichneten; und
mittlerweile hat ja auch die aussichtsreichste Präsidentschaftskandidatin der democrats,
Hillary Clinton, in dem renommierten politikwissenschaftlichen Journal ‚Foreign
Affairs’ recht eindrücklich Stellung gegen den Iran bezogen. Dass sich
Frankreich in der Sicherheitspolitik hinter die USA stellt – alles Andere als
alltäglich, würde ich ebenfalls als (sicherlich auch durch den
Präsidenten-Wechsel bedingtes) großes Warnzeichen für den Iran werten. Zusätzlich
muss bedacht werden, dass Deutschland, das sich in diesem Konflikt bis jetzt
nicht allzu deutlich geäußert hat, aus einem historischen Bewusstsein heraus im
Kontext von Achmadi-nejads Auslöschungsphantasien gegenüber Israel wohl weniger
friedfertig agieren wird wie bei der Frage des Irak03 (wo es einer
Friedenstaube gleich über den Art. 25 der UN-Charta hinweggesegelt ist). All
dies illustriert, welch überwältigende Gegenallianz die Auslassungen des
iranischen Präsidenten zu mobilisieren vermochten – ein in diesem Kontext
intern geeintes und in der westlichen Staatengemeinschaft legitimiertes Amerika.
Ein unverhoffter Traum für alle neokonservativen DenkerInnen, und ein wie ich
eigentlich meinte, unter allen Umständen abzuwehrender Schreck für den iranischen
Gottesstaat!
So der Iran ein rationaler Akteur auf
internationaler Ebene ist, muss also offensichtlich der Nutzen dieser Achmadi-nejadschen
Vernichtungsrhetorik exorbitant sein, um auszugleichen, was auf der
Kosten-Seite als politisch-militärisches Selbstmord-Potential einzuschätzen
ist. Aus meiner Warte das Problem ist nun, dass ich nicht wirklich erkenne, wie
Achmadi-nejads Auslöschungsrhetorik gegenüber Israel dem nationalen Interesse
des Iran zum Vorteil gereichen soll, ganz zu schweigen von einem (in Anbetracht
der Kosten eigentlich erforderlichen) Nutzen in exorbitantem Ausmaß. Welcher
arabische Staat sollte sich durch diese Rhetorik in seiner
sicherheitspolitischen Orientierung umpolen lassen? Syrien wird mit und ohne
diese empörenden Äußerungen strategischer Partner des Iran bleiben; alle
anderen arabischen Staaten in der Region, im Wesentlichen Verbündete der USA,
werden sich wohl kaum durch diese antisemitischen Ausfälle vereinnahmen lassen.
Mag sein, dass Achmadi-nejads
Vernichtungsrhetorik dort in manchen Teilen der politischen Klasse auf gewissen
Zuspruch stößt, dass man dafür aber die Schutzherrschaft des mächtigsten Landes
der Welt aufgibt, die nicht nur für die außenpolitische Abschirmung, sondern
auch für die innenpolitische Stabilisierung essentiell ist, halte ich für
ausgesprochen unwahrscheinlich. Auch das immer wieder bemühte Argument der
Rationalität hinter der vorgetäuschten Irrationalität, dass also die Androhung
der nuklearen Auslöschung Israels das iranische Erpressungspotential gegenüber
der internationalen Staatenwelt erheblich steigern würde, ist unzutreffend; es wäre erst
plausibel – dann allerdings sehr plausibel – wenn der Iran bereits im Besitz
der nuklearen Schlagkraft sein würde. Zuallerletzt bleibt auf der Nutzen-Seite
noch die innenpolitische Dimension zu klären. Weil mir jedwede Einsicht in die
iranische Gesellschaft fehlt, maße ich mir nicht an zu urteilen, ob Achmadi-nejad
durch derartige Äußerungen auf ‚Stimmenfang’ gehen kann; allerdings würde ich
behaupten, dass in der iranischen Diktatur jene demokratische Responsivität,
die Vorraussetzung dafür ist, auf innenpolitischem Wege zu erzwingen, was
außenpolitisch potentiell selbstmörderisch ist, nicht gegeben ist. Kurzum, mir
ist schleierhaft, welche positive Kehrseite diese die westliche
Staatengemeinschaft zu Recht empörende Vernichtungsrhetorik von Achmadi-nejad
enthalten könnte.
Dass der Iran die Hamas und Hizbollah unterstützt,
ist rational: ihre terroristischen Aktionen binden Israel militärisch und
delegitimieren seine Sicherheitspolitik gleichsam auf politischer Ebene, weil
die dadurch provozierten militärischen Aktionen Israels in Palästina und im
Libanon als ‚zionistischer Imperialismus’ gebrandmarkt werden können. Dass der
Iran manche schiitischen Milizen im Irak unterstützt, ist ebenfalls rational:
wenn deren terroristische Aktionen auch sicherlich nicht hauptverantwortlich
für das amerikanische Desaster im Irak sind, so binden doch auch sie die USA
militärisch; und jeder zusätzliche Problemherd im Irak verzögert einen Truppenabzug
und delegitimiert so intern wie extern die amerikanische Sicherheitspolitik. So
sehr all dies auch auf ein großes strategisches Geschick auf iranischer Seite
schließen lässt, dem wichtigsten Erfordernis für ein rationales Konzept zum
regionalen Wiederaufstieg des Iran wird auf unfassbar dumme Weise getrotzt.
Wäre der Iran ein konsistent rationaler
Akteur, der auf mittlere Frist in Folge seiner Rationalität (gewissermaßen als
dessen Krönung) nach der Atombombe strebt, sollte im primär daran gelegen sein,
zwar seinen oben angeführten staatsterroristischen Aktionismus fortzusetzen,
aber möglichst kein wie immer geartetes internationales Aufsehen zu erregen. Sollten
seine Nuklearaktivitäten dann doch hin und wieder für westlichen Aufruhr
sorgen, könnte er sich wohl, für viele nachvollziehbar, über den (indirekt
gerade auch durch ihn provozierten) ‚amerikanischen und israelischen
Imperialismus’ empören, und sich dabei auf den ‚Pazifismus Europas und der
amerikanischen democrats’ verlassen. Ich denke, mit dieser Strategie der offiziellen
Zurückhaltung wäre dem Iran angesichts eines gelähmten Amerikas die Atombombe
wohl gewiss; zumal es für neokonservative Zirkel unmöglich sein würde, eine
militärische Intervention gegen den Iran zu mobilisieren. Lediglich, der Iran
wahrt diese aus seiner Sicht einmalige Chance nicht, sondern zieht in Form
seines Präsidenten alle internationale Aufmerksamkeit auf sich; nicht nur das,
er sticht dabei in den für die westliche Staatengemeinschaft wundesten aller Punkte;
und das auch noch, ohne ersichtlichen Nutzen.
So drängt sich mir die unliebsame Befürchtnis
auf, dass der Iran möglicherweise doch kein rationaler Akteur (mehr) ist. Dass
dies an irrational fanatisierenden statt strategisch kalkulierenden
militärischen Eliten liegt, glaube ich nicht. Viel eher scheint mir die
Vermutung berechtigt, dass eben diese militärischen Eliten es derzeit nicht (mehr)
vermögen, den Wahnsinn ihres Präsidenten Achmadi-nejad und der ihm
übergeordneten Ayatollas einzuhegen. Dies ist an sich bitter für die iranische
Bevölkerung; und aus Sicht des Westens lässt es folgende etwas pointiert formulierte
Problemstellung zu:
Wer seinen Präsidenten nicht davon
abhalten kann, einen militärischen Schlag von potentiell vernichtendem Ausmaß
gegen sein Land zu provozieren – dies über eine keinem erkennbaren
strategischen Kalkül geschuldete Auslöschungsrhetorik gegenüber dem Staat
Israel, der kann auch nur mit (zu) großer Unsicherheit, die tatsächliche von
eben diesem Präsidenten initiierte nukleare Auslöschung des Staates Israel
abwenden … Dann allerdings stellt sich für die westliche Staatengemeinschaft die
fundamentale Frage, ob eine militärische Intervention gegen einen sich nuklear
bewaffnenden Iran nicht doch geboten wäre …
Kein Thema in der internationalen
Sicherheitspolitik wiegt derzeit wohl schwerer als Irans Nuklearambitionen.
Dieser Konflikt ist für die westliche Staatengemeinschaft sowohl aus
strategischem Interessenkalkül wie auch aus Gesichtspunkten der moralischen
Verantwortung von fundamentaler Bedeutung. Leider ist derzeit eine seriöse
Debatte nicht auszumachen; hastiges Kriegsgeschrei wie gutgläubige
Iran-Romantik sind entbehrlich.
Ich denke, dass gerade dieses Forum
dazu geeignet ist, eine sachliche Debatte zu entfachen, und hoffe in diesem
Sinne auf konstruktive Kritik (wobei ich nochmals darauf aufmerksam machen
will, dass es mir in meiner Skepsis an einer friedlichen Konfliktbeilegung
nicht um Irans nukleare Bestrebungen an sich geht oder um seinen vielfältigen
Staatsterrorismus; auch geht es mir nicht um Achmadi-nejads
Vernichtungsrhetorik an sich, sondern darum, dass, weil Achmadi-nejads
Vernichtungsrhetorik zumindest meiner Kosten-Nutzen-Analyse nicht im Geringsten
Stand hält, ich Zweifel hege an Irans Rationalität auf internationaler Ebene und
in Folge auch an der Möglichkeit einer Einbettung in ein regionales
Abschreckungssystem.)