Angeblich ist er aus freien Stücken zurückgetreten. Diese souveräne demokratische Entscheidung hat er aber wohl nicht selbst getroffen. Zu lange schon wollten ihn Putins Vertraute aus dem Präsidialamt – Sergej Ivanov und Vjacheslav Volodin – los werden. Der Eklat um angebliche finanzielle Transfers aus der Skolkovo-Stiftung an einen führenden Aktivisten der russländischen Anti-Regierungsproteste (Bolotniki) hat Vladislav Jur’jevich Surkov wohl das Genick gebrochen. Entlassen wurde Surkov am 8. Mai, sein Rücktrittsgesuch hatte er allerdings schon am 26. April eingereicht. Als stv. Vorsitzender der Regierung – zuständig für die Modernisierung und Innovation, aber auch für religiöse Angelegenheiten – zählte er zu den wenigen Vertrauen von Dmitrij Medvedev; zu einem Zirkel, zu dem auch Igor Shuvalov und Arkadij Dvorkovich zu rechnen sind. Surkov war in der Regierung für die Entwicklung von Skolkovo als wissenschaftliches Zentrum zuständig und Mitglied des Aufsichtsrates der Skolkovo-Stiftung. Insgesamt sollen zwischen November 2011 und Dezember 2012 571.000 Euro an Ilja Ponomarjov, Mitglied der Staatsduma und führender Aktivist der Bolotniki, geflossen sein – angeblich für Vorträge und wissenschaftliche Studien (siehe dazu Izvestija, 17.4.2013). Ponomarjov wurde an der Moskauer Staatlichen Universität als Physiker ausgebildet. Die Zahlungen sollen vom stv. Präsidenten der Skolkovo-Stiftung, Aleksej Beltjukov, an Ponomarjov geleistet worden sein. Das staatliche Untersuchungskomitee (Sledstvennij Komitet) unter der Leitung des Putin-Vertrauten Alexander Bastrykin untersucht nun, ob Ponomarjov diese Gelder für die Finanzierung der Aktivitäten der Bolotniki eingesetzt hat. Surkov hatte die Vorgangsweise des Untersuchungskomitees öffentlich scharf kritisiert.
Die Entlassung Surkovs ist vor allem ein Menetekel für Dmitrij Medvedev. Die Entlassung Surkovs war ein deutlicher Sieg der siloviki, der hardliner in Putins Führungsriege. Deren eigentliches Ziel aber ist Medvedev. Auch wenn Medvedev bei der Sitzung des Kabinetts unter dem Vorsitz Putins am 7. Mai sich Putin gegenüber unterwürfig zeigte, scheinen seine Tage gezählt. Mit der Entlassung Surkovs wird seine ohnedies schwache Stellung weiter verschlechtert. Bald ist Medvedev allein zuhaus – im Bjelij Dom.
Surkov war in der ersten Amtszeit von Vladimir Putin als stv. Leiter des Präsidialamtes der “graue Kardinal” gewesen – zuständig für den Aufbau und die Gestaltung der von ihm so genannten “souveränen Demokratie” (сувере́нная демокрaтия). Dazu gehören der Aufbau der Staatspartei “Edinaja Rossija” (Geeintes Russland) und der Jugendbewegung “Nashi” (Unsere) ebenso, wie die Gründung von Kunstparteien zur Schwächung der Kommunisten – u.a. die Partei “Rodina” (Heimatland). Bemerkenswert an Surkov ist, dass er die rokirovka, den Ämtertausch zwischen Vladimir Putin und Dmitrij Medvedev 2011/12 ablehnte. Surkov hatte erkannt, dass dieses Manöver zu Unruhe in den “kreativen Schichten” der russländischen Bevölkerung führen würde. Als er recht behalten sollte und mit dem 10. Dezember 2011 massive Proteste gegen Vladimir Putin begannen, wurde er aus dem Präsidialamt entlassen und zum Regierungsmitglied herabgestuft.
Wenn Stabilität ihre Kinder frisst, bleibt Labilität. Und das deckt sich schon wiederum mit Mangotts Erkenntnissen in seinem Interview mit dem “Standard” (a.a.O.) ….