Russland erkennt die revolutionäre Führung in Kiiv nicht an. Die Machthaber seien durch einen bewaffneten Aufstand “faschistischer Banden” an die Macht gekommen, die “terroristische Methoden” einsetzten. Die Absetzung des Präsidenten Janukovic sei unter Verletzung des in der geltenden Verfassung dafür vorgesehenen Verfahrens erfolgt. Damit hat Russland recht. Janukovic wurde von der Verchovna Rada – dem Parlament der Ukraine – in einem Votum mit 328 Ja-Stimmen für abgesetzt erklärt. Die Verfassung von 1996 sowohl i.d. Fassung von 2004 als auch 2010 sieht zur Amtsenthebung aber vor: Die Rada kann mit 226 der 450 Stimmen ein Amtsenthebungsverfahren einleiten, wenn sie dem Präsidenten Hochverrat oder ein anderes Verbrechen vorwirft. Damit wird eine Sonderkommission eingesetzt, der auch der Generalsstaatsanwalt angehört, die diese Vorwürfe bestätigen muss. Dann muss das Verfassungsgericht entscheiden, ob das Verfahren zur Amtsenthebung formal korekt durchgeführt wurde. Danach muss das Oberste Gericht entscheiden, ob die Vorwürfe des Parlaments zutreffen. Wenn all das absolviert wurde, kann die Rada mit 338 Stimmen die Absetzung beschließen (Art.111 der Verfassung). Dieses Verfaren wurde am 22. Februar nicht eingehalten. Legalistisch betrachtet, wäre Janukovic damit weiterhin im Amt; Interimspräsident A. Turcinov hingegen wäre unrechtmäßig mit der Führung des Staates betraut. Er hätte damit nicht das Recht, Gesetze gegenzuzeichnen und wäre auch zu Unrecht Oberkommandierender der Streitkräfte.
Russland besteht auch weiterhin auf der Umsetzung der von den Außenministern Frankreichs, Deutschland und Polens am 21.2.2014 zwischen den damaligen Oppositionsparteien und Janukovic ausgehandelten “Vereinbarung über die Regulierung der Krise”. Demnach sollte vor neuen Präsidentenwahlen eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Die Wahl eines neuen Präsidenten sollte bis spätestens Dezember 2014 durchgeführt werden. Durch die revolutionäre Machtergreifung wurde der Wahltermin nun auf den 25. Mai vorgezogen; die Ausarbeitung einer neuen Verfassung aber verzögert sich. Allerdings ist es bemerkenswert, dass Russland auf der Einhaltung dieses Abkommens besteht. Zwar war mit Vladimir Lukin ein Sondergesandter V. Putins bei den Verhandlungen anwesend; er hat das Abkommen aber nicht unterzeichnet. Zudem scheint es absurd, noch immer an dieser Vereinbarung festzuhalten, weil die revolutionäre (und bewaffnete) Machtergreifung diese längst überholt hat.
Wenn die Wahl der neuen Regierung durch die Verchovna Rada aber am 26. Februar erfolgen wird, wird Russland Beziehungen mit dieser Regierung aufnehmen. Die russische Führung wird sich der normativen Kraft des Faktischen fügen müssen – auch wenn der Regierungswechsel in Kiiv für die Führung in Moskau eine Niederlage darstellt.
Herr Mangott,
Sie könnten ruhig ehrlich sein und in ihrem Blog mitteilen, dass die Ukraine nur als Instrument von der angelsächsische Thalassokratie benutzt wird. Das Ziel ist Russland.
Eine Niederlage sehe ich hier vielmehr in der Unfähigkeit der Europäischen Union, ihre Interessen und unsere Ideale auf friedlichem Wege durchzusetzen. Stattdessen werden Kräfte zu einer Demokratiebewegung schöngeredet und unterstützt, die man nicht versteht, in einem Land, das man nicht versteht. Diese europäischen “Strategen” sitzen an Ihren Reißbrettern und richten in ihrer Arroganz über unsere ukrainischen Mitmenschen. In dieser totalen Unfähigkeit flüchtet man sich in russophoben Populismus und muss gleichzeitig erkennen, dass weder die Ukraine ohne Russland, noch Russland ohne die Ukraine auskommen wird können. Um der Ukraine zu helfen muss man mehr tun, als nur gegen Putin zu sein!
Niemand wird die in Russland und der Ukraine bestehenden Probleme leugnen können, sie sind jedoch wesentlich differenzierter zu betrachten, als es uns die Medien verkaufen wollen, und auch nicht durch europäische Polemik und nationalistische Gewalt zu lösen.
Was mir an der Sache gefällt ist, dass die Ukraine der Vorhof Russlands ist, die EU angrenzt, und die USA größenwahnsinnig sind. Es wird spannend Leute. Jetzt fehlen nur noch die Chinesen ;-).
@Eric Cartman: Nein, es fehlt nur noch Heinz Fischer!
Hier ist er (mit seiner Antwort auf die letzte Frage im Interview):
http://de.ria.ru/opinion/20140224/267909851.html
Abgesehen davon, dass die Prognoseaussage ” Russland wird sich der Macht des Faktischen fügen müssen” keine wissenschaftliche Äußerung und auch keine Expertise darstellt, sondern eher einen Akt der Hellseherei, so hoffe ich sehr dass sich Russland nicht wird fügen müssen zumal China ihm den Rücken freihält
Es ist keinesfalls zu hoffen dass die faschistische Junta in Kiev sich behaupten kann, und verstehe nicht wofür es gut ist, für diese Maidanputschisten auch nur irgendwie annähernd Propaganda zu machen. Vielmehr sollten alle Anständigen eine Wiederherstellung der Demokratie in Ukraine nachhaltig fordern, dem werden sich die Regierungen von Deutschland , USA und Frankreich nicht dauerhaft widersetzen können. Wichig ist auch zu fordern, dass das Parlament wieder unbedroht zusammentreten kann und auch gefragt wird für das was man es fragen müsste.
Ich danke Herrn Dr. Mangott aber sehr für seine Ausführungen zu dem Thema Präsidentenabsetzung und für die Darlegung der aktuellen russischen Position, die sehr vernünftig ist und daher auch in den Medien verschwiegen wird.