In Minsk haben sich die Konfliktparteien auf einen Waffenstillstand geeinigt. Diese Einigung ist ein wichtiger Meilenstein zu einer verhandelten Konfliktlösung. Aber nicht nur ist unsicher, ob sich eine politische Lösung des Konflikts erreichen lässt; es ist auch noch keineswegs sicher, dass der Waffenstillstand halten wird. Kleinere Zwischenfälle, die auch bereits gemeldet werden, könnten den Waffenstillstand schleichend erodieren.
Doch hat es nicht lange gedauert, bis Stimmen laut wurden, die den Waffenstillstand als Ergebnis der von der EU verhängten Sanktionen der dritten Stufe interpretieren. Natürlich hat die EU ein Interesse daran, die Sanktionsstrategie als erfolgreich darzustellen. Nur ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Sanktionen einen Anteil an der Entscheidung der Konfliktparteien hatten, sich auf eine Waffenruhe zu verständigen.
Die harten Sanktionen der EU, die am 31. Juli 2014 beschlossen wurden – erschwerter Zugang von russischen Banken zum europäischen Kapitalmarkt, Restriktionen bei dual-use Gütern, Unterbindung der Lieferung von Hochtechnologie im Ölsektor und ein Waffenembargo -, haben zu keiner Verhaltensänderung Russlands geführt. Nicht nur hat Russland die Rebellen weiterhin mit Waffen und Söldnern gestärkt; Russland hat sogar nach diesen Sanktionen seine Beteiligung an dem militärischen Konflikt in der Ostukraine eskaliert – mit der noch nicht einwandfrei bewiesenen, aber sehr wahrscheinlichen direkten Beteiligung russischer Verbände an den Kämpfen.
Wenn es aber nicht die Sanktionen waren, die zur Einigung von Minsk am 5. September 2014 führten, welche Faktoren erklären den Waffenstillstand dann?
Die mutmassliche direkte militärische Beteiligung Russland an den Kämpfen hat die ukrainische Armee zurückgedrängt. Die Rebellen konnten erhebliche Geländegewinne erzielen. Es wurde sogar im Süden der Region Donezk eine neue Front um Novoazovsk/Mariupol geschaffen. Der ukrainischen Führung sollte damit deutlich gemacht werden, dass Russland die Rebellen nicht fallen lassen wird. Das bedeutete für die ukrainischen Streitkräfte wiederum, dass sie den Konflikt militärisch nicht gewinnen könnten, denn die russischen Verbände sind den ukrainischen in Ausrüstung und Ausbildung deutlich überlegen. Der Krieg war also nicht zu gewinnen – dies vor dem Hintergrund ohnehin steigender Gegnerschaft der Bevölkerung gegenüber der “anti-terroristischen Operation”.
Für Russland ist die Waffenruhe überdies mehr wert als für die Ukraine. Die ukrainische Regierung muss den Konflikt lösen, um Donezk und Lugansk wieder in den ukrainischen Staatsverband zurückzuführen. Für Russland genügt es vorerst, die sich für Rebellen deutlich verbessert habenden Kräfteverhältnisse am Boden einzufrieren. Kritiker Poroshenkos meinen sogar, der Waffenstillstand sei eine Kapitulation der Ukraine und ein Sieg Putins. Sollte die EU also mit ihren Sanktionen zu einem Sieg Putins beigetragen haben?
Poroshenko hat als einer der wenigen in der ukrainischen Führung erkannt, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist. Nach mehr als 2.600 Toten erklärte er sich in Verabredung mit V. Putin schließlich bereit, den Waffengang zu beenden. Poroshenko hat dies gegen Widerstand in der ukrainischen Elite getan; viele von denen, u.a. Ministerpräsident Jazenjuk, wollten lieber eine militärische Entscheidung suchen, anstatt zu verhandeln.
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Es ist wie meistens sicher eine Mischung aus allem. Sanktionen der EU tun Russland sicher weh und tragen zu einer grösseren Bereitschaft für Verhandlungen bei. Aber auch das überlegte Verhalten Poroshenkos und seine realistische Einschätzung der Siegeschancen tragen zu Vereinbarungen über Waffenruhe o.ä. bei.
Es bleibt zu wünschen, dass recht bald ein Weg der langfristigen Befriedung gefunden wird. Das Leiden ist zu gross – auf beiden Seiten!
Die Verantwortlichen in der EU haben den Konflikt von Anfang an nicht verstanden oder falsch eingeschätzt (oder mit hohem Einsatz gespielt), das gilt auch für das Assoziierungsabkommen, das keineswegs nur wirtschaftlichen Inhalts ist (es musste doch jedem halbwegs mit der Materie vertrautem klar sein, wie wichtig die Ukraine für Russland ist; und daraus hätte man abschätzen können, dass Russland sehr weit gehen und sich von Sanktionen kaum beeindrucken lassen wird). — Mit viel Glück wird jetzt ein Resultat erreicht, dass man schon zuvor einfacher hätte haben können, ohne Leid und ohne Tote.