Fire and Fury. Nordkorea am Rande des Nuklearkrieges

In der Haltung der USA zu Nordkorea und dessen Raketen- und Nuklearprogramm zeichnet sich eine Änderung ab. Seit 1993 waren alle Präsidenten der USA davon ausgegangen, dass die Kosten eines militärischen Präventivschlages gegen Nordkorea inakzeptabel hoch wären, auch wenn immer wieder betont wurde, dass “alle Optionen auf dem Tisch” lägen. Nunmehr aber halten mehrere Sicherheitsberater Trumps, allen voran National Security Adviser H.R. McMaster, eine militärische Lösung des Konfliktes für erfolgreich durchführbar. Zwar mit hohen Kosten – Verteidigungsminister James Mattis hält sie für “horrific” –, aber mit dem erreichbaren Ziel einer Zerstörung der nordkoreanischen militärischen Fähigkeiten. Unerwähnt bleibt offiziell, dass die hohen Kosten eines militärischen Angriffs der USA auf Nordkorea derzeit nahezu ausschließlich Südkorea und Japan zu tragen hätten – abgesehen vom Flotten- und Luftwaffenstützpunkt der USA auf Guam und den US-Soldaten in Südkorea und Japan.

Dieselben Berater Trumps gehen zudem davon aus, dass Nordkorea nicht abgeschreckt werden könne. Anders als bei Russland und China sei nukleare Abschreckung Nordkoreas nicht möglich, weil es sich dabei nicht um einen rationalen Akteur handle. Das Axiom, Nordkorea sei irrational und daher bereit, einen Nuklearkrieg zu führen, auch wenn damit seine eigene Vernichtung die unvermeidbare Folge wäre, hält sich hartnäckig. Damit verbunden ist die beleglose Annahme, dass Nordkorea sein Raketen- und Nukleararsenal offensiv und als erster nutzen würde, sobald die dafür erforderlichen technischen Voraussetzungen und Fähigkeiten erreicht würden.

Nordkorea ist ein rationaler Akteur

Das Verhalten und die Handlungen Nordkoreas legen aber nahe, dessen Führung als rationalen Akteur anzusehen. Ziel des Rüstungsprogrammes ist die Fähigkeit zur vollständigen Abschreckung eines konventionellen oder nuklearen Angriffes auf das Land. Ziel ist die Sicherung der eigenen Staatlichkeit und des herrschenden Regimes in Nordkorea. Zwar war der Ursprung der nordkoreanischen Programme nicht die interventionistische und auf Regierungswechsel abzielende Außenpolitik der USA, aber letztere hat in den letzten 20 Jahren die Entschlossenheit der Kim-Dynastie wesentlich bestärkt, die eigene Rüstung konsequent voranzutreiben.

Nordkorea, das sich immer noch im Kriegszustand mit Südkorea befindet – seit 1953 gibt es nur einen Waffenstillstand, aber keinen Friedensvertrag –, konfrontiert mit der starken militärischen Präsenz der USA in Südkorea – die angesichts der nordkoreanischen Verantwortung für den Korea-Krieg 1950-53 nachvollziehbar ist – und ohne diplomatische Beziehungen zu und Anerkennung durch die USA, sieht in der Rüstung die einzige Rückversicherung für seine ungefährdete Existenz.

Auch wenn die Existenz eines einsatzfähigen nuklearen Arsenals Nordkoreas sicher nicht wünschenswert ist – sowie die totalitäre und brutale Führung des Landes selbst –, so wird sie doch mehr und mehr zur Wirklichkeit. Eine Realität, die gekommen ist, um zu bleiben. Wenn eine militärische Lösung dieses Umstandes nicht vertretbar und im Übrigen wohl kaum erfolgreich ist – was bleibt dann als Strategie im Umgang mit Nordkorea?

Verhandlungen, aber worüber?

Vorauszuschicken ist meine Annahme, wonach Nordkorea kein Proliferationsfall mehr ist, sondern ein Rüstungskontrollfall. Es kann realistisch also nicht mehr darum gehen, die nukleare und ballistische Raketenbewaffnung zu verhindern beziehungsweise rückgängig zu machen. Was bleibt ist, Nordkorea als inoffizielle Nuklearmacht anzuerkennen und in Verhandlungen mit Nordkorea Vereinbarungen über Rüstungskontrolle und die Nicht-Weitergabe des technologischen Wissens durch Nordkorea an andere Länder zu treffen. Das lehnen die USA aber kategorisch ab. Die Bereitschaft der USA, sich mit Nordkorea an einen Verhandlungstisch zu setzen, ist nur gegeben, wenn Nordkorea denuklearisiert wird. Nordkorea lehnt Gespräche mit den USA wiederum ab, solange die eigene Denuklearisierung das Thema dieser Verhandlungen ist. Solange Nordkorea nicht als inoffizielle Nuklearmacht de facto anerkannt wird, wird es keine Gesprächsbereitschaft auf nordkoreanischer Seite geben.

Das ist das strategische Dilemma, vor dem die Staaten der Region nun stehen. Die Hoffnung, mit harten Sanktionen Nordkorea zu einem Überdenken seiner Position zu bewegen, ist sehr gering. Für Nordkorea ist die nukleare Rüstung ein vitales, strategisches Interesse, eine Rückversicherung für seine Existenz. Darüber wird die derzeitige Regierung nicht verhandeln. Auch wenn die Resolution 2371 des Sicherheitsrates der Uno die Exporte Nordkoreas stark beschneidet – vorausgesetzt vor allem China setzt diese auch in der Praxis um–, wird die nordkoreanische Führung das Leiden der eigenen Bevölkerung einer Beschränkung seines Rüstungsprogrammes vorziehen. Die Sanktionspolitik der Uno wird sich bald die Frage stellen müssen, welches Leid der nordkoreanischen Zivilbevölkerung in Kauf genommen werden kann und darf, um das unrealistische Ziel der Denuklearisierung Nordkoreas zu erreichen.

Abschreckung und Eindämmung

Angesichts dieser Bilanz, die von der Unmöglichkeit der Denuklearisierung Nordkoraus ausgeht, bleiben daher nur die klassischen Strategien im Umgang mit nuklearer Bewaffnung und Gegenbewaffnung. Zwischen den nuklear gerüsteten Staaten muss eine glaubwürdige und rationale Strategie der Abschreckung entwickelt werden. Die Abschreckung soll die unbedingte Vermeidungsnotwendigkeit einer nuklearen Auseinandersetzung verankern. Das ist besonders schwierig, wenn man bedenkt, dass Nordkorea auf lange Sicht keine Zweitschlagsfähigkeit (second strike capability) erreichen wird – also verletzlich bleibt für einen nuklearen Erstschlag der USA. Daher ist das Bekenntnis beider Seiten, nicht als erster zu einem militärischen Waffengang zu schreiten, unabdingbar. Die Rede von einer militärischen Lösung verschärft daher die Krise – bis hin zu einem nuklearen Ersteinsatz durch Nordkorea –, sie löst sie nicht.

Foto: http://english.hani.co.kr/arti/english_edition/e_northkorea/794984.html

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