Die Gerüchte über eine zweite Front an der ukrainischen Nordgrenze mehren sich. Russland könnte von belarussischem Territorium aus erneut gegen Kiev marschieren. Mehr noch, manche Beobachter rechnen mit einem aktiven Kriegseintritt von Belarus und einem gemeinsamen Angriff auf die Nordukraine.
Eine zweite Front würde ukrainische Soldaten im Norden binden; Soldaten, die dann an der mehr als 1.000 km langen Frontlinie in der südlichen und östlichen Ukraine fehlen würden. Dort würden die ukrainischen Verbände ausgedünnt. Allerdings gilt das auch für die russische Armee, die ohnehin einen Mangel an qualifizierten, trainierten und gut ausgerüsteten Soldaten aufweist.
Russland war am Beginn des Krieges von belarussischem Territorium aus in den Norden der Ukraine vorgestoßen; aber diese Verbände mussten sich Anfang April des letzten Jahres erfolglos zurückziehen. Fraglich also, ob die russische Armee in ihrem derzeitigen Schwächezustand dort noch einmal vorrücken will.
Beobachter, die einen solchen Vorstoß für möglich halten verweisen auf die 45.000 Soldaten der belarussischen Armee, die sich diesmal an der Offensive im Norden beteiligen könnten. Aber die Kampfkraft der weißrussischen Armee ist relativ gering. Ihre Soldaten sind mangelhaft trainiert und, vor allem, schlecht ausgerüstet. Der militärische Mehrwert für die russischen Streitkräfte wäre daher relativ gering. Dagegen könnte eingewendet werden, dass ein massiver Vorstoß die Ukraine zumindest für eine gewisse Zeit zwingen würde, massiv Truppen und Gerät im Norden einzusetzen. Ein erfolgreicher Vorstoß auf Kiev ist hingegen mit den derzeitigen in Belarus vorhandenen eigenen und russischen Soldaten sehr unwahrscheinlich.
Der Mehrwert eines direkten Kriegseintrittes von Belarus wäre daher überschaubar. Die politischen Risiken eines solchen Schrittes wären aber groß.
Eine überwältigende Mehrheit der belarussischen Bevölkerung lehnt einen Kriegseintritt ab. Auch in den Reihen der Soldaten, vor allem aber im belarussischen Generalstab, gibt es dagegen Widerstände. Der belarussische „Präsident“ Lukaschenko wäre also im Inneren mit erheblichen Risiken konfrontiert. Das Wiederaufflammen der Massenproteste im Jahr 2020, die nur mit brutaler Gewalt und Repression niedergeschlagen werden konnten, wäre sehr wahrscheinlich. Könnte die belarussische Regierung das noch einmal überleben? Wie massiv wären die Desertionen in der weißrussischen Armee?
Beobachter, die an einen Kriegseintritt von Belarus glauben, wenden dagegen ein, dass die belarussische Führung russischem Druck nachgeben müsse, weil Lukaschenko sich nur mit wirtschaftlicher, finanzieller und militärischer Unterstützung Russland an der Macht halten kann. Lukaschenko habe also gar keine andere Wahl. Diese Position aber vernachlässigt, dass auch die russische Führung über die innenpolitischen Risiken in Belarus weiß. Eine erneute Massenerhebung wäre auch für Russland schwer kontrollierbar. Der Verlust der Kontrolle über Belarus ist aber für Russland ein viel größeres Risiko als der Verzicht auf den direkten Kriegseintritt von Belarus.
Bei einem belarussischen Kriegseintritt würden auch die westlichen Sanktionen gegen Belarus erheblich verstärkt werden. Das wiederum würde die soziale Lage im Land weiter verschlechtern und es für Russland kostspieliger machen, Lukaschenko trotzdem an der Macht zu halten. Die Bürde der Finanzierung weißrussischer Gefolgschaft würde noch größer werden. Das in einer Situation, wo die westlichen Sanktionen die russische Wirtschaft immer härter treffen.
Der Autor hält die Gerüchte über eine belarussischen Kriegseintritt – verstärkt durch angebliche Aufrufe an Männer in Belarus, sich registrieren zu lassen – daher nicht für sehr überzeugend. Zu hoch ist das Risiko für die russische und die weißrussische Führung, zu gering der Mehrwert für die russische Armee. Belarus wird aber ein militärischer Stützpunkt für Russland bleiben. Die gemeinsamen Übungen der der Armeen beider Länder werden weitergehen und sich intensivieren. Von weißrussischem Territorium aus werden weiterhin Luftangriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine durchgeführt werden. Aber die Stiefel weißrussischer Soldaten auf ukrainischem Boden bleiben eher unwahrscheinlich.
Die Gerüchte über eine zweite Front an der ukrainischen Nordgrenze mehren sich. Russland könnte von belarussischem Territorium aus erneut gegen Kiev marschieren. Mehr noch, manche Beobachter rechnen mit einem aktiven Kriegseintritt von Belarus und einem gemeinsamen Angriff auf die Nordukraine.
Eine zweite Front würde ukrainische Soldaten im Norden binden; Soldaten, die dann an der mehr als 1.000 km langen Frontlinie in der südlichen und östlichen Ukraine fehlen würden. Dort würden die ukrainischen Verbände ausgedünnt. Allerdings gilt das auch für die russische Armee, die ohnehin einen Mangel an qualifizierten, trainierten und gut ausgerüsteten Soldaten aufweist.
Russland war am Beginn des Krieges von belarussischem Territorium aus in den Norden der Ukraine vorgestoßen; aber diese Verbände mussten sich Anfang April des letzten Jahres erfolglos zurückziehen. Fraglich also, ob die russische Armee in ihrem derzeitigen Schwächezustand dort noch einmal vorrücken will.
Beobachter, die einen solchen Vorstoß für möglich halten verweisen auf die 45.000 Soldaten der belarussischen Armee, die sich diesmal an der Offensive im Norden beteiligen könnten. Aber die Kampfkraft der weißrussischen Armee ist relativ gering. Ihre Soldaten sind mangelhaft trainiert und, vor allem, schlecht ausgerüstet. Der militärische Mehrwert für die russischen Streitkräfte wäre daher relativ gering. Dagegen könnte eingewendet werden, dass ein massiver Vorstoß die Ukraine zumindest für eine gewisse Zeit zwingen würde, massiv Truppen und Gerät im Norden einzusetzen. Ein erfolgreicher Vorstoß auf Kiev ist hingegen mit den derzeitigen in Belarus vorhandenen eigenen und russischen Soldaten sehr unwahrscheinlich.
Der Mehrwert eines direkten Kriegseintrittes von Belarus wäre daher überschaubar. Die politischen Risiken eines solchen Schrittes wären aber groß.
Eine überwältigende Mehrheit der belarussischen Bevölkerung lehnt einen Kriegseintritt ab. Auch in den Reihen der Soldaten, vor allem aber im belarussischen Generalstab, gibt es dagegen Widerstände. Der belarussische „Präsident“ Lukaschenko wäre also im Inneren mit erheblichen Risiken konfrontiert. Das Wiederaufflammen der Massenproteste im Jahr 2020, die nur mit brutaler Gewalt und Repression niedergeschlagen werden konnten, wäre sehr wahrscheinlich. Könnte die belarussische Regierung das noch einmal überleben? Wie massiv wären die Desertionen in der weißrussischen Armee?
Beobachter, die an einen Kriegseintritt von Belarus glauben, wenden dagegen ein, dass die belarussische Führung russischem Druck nachgeben müsse, weil Lukaschenko sich nur mit wirtschaftlicher, finanzieller und militärischer Unterstützung Russland an der Macht halten kann. Lukaschenko habe also gar keine andere Wahl. Diese Position aber vernachlässigt, dass auch die russische Führung über die innenpolitischen Risiken in Belarus weiß. Eine erneute Massenerhebung wäre auch für Russland schwer kontrollierbar. Der Verlust der Kontrolle über Belarus ist aber für Russland ein viel größeres Risiko als der Verzicht auf den direkten Kriegseintritt von Belarus.
Bei einem belarussischen Kriegseintritt würden auch die westlichen Sanktionen gegen Belarus erheblich verstärkt werden. Das wiederum würde die soziale Lage im Land weiter verschlechtern und es für Russland kostspieliger machen, Lukaschenko trotzdem an der Macht zu halten. Die Bürde der Finanzierung weißrussischer Gefolgschaft würde noch größer werden. Das in einer Situation, wo die westlichen Sanktionen die russische Wirtschaft immer härter treffen.
Der Autor hält die Gerüchte über eine belarussischen Kriegseintritt – verstärkt durch angebliche Aufrufe an Männer in Belarus, sich registrieren zu lassen – daher nicht für sehr überzeugend. Zu hoch ist das Risiko für die russische und die weißrussische Führung, zu gering der Mehrwert für die russische Armee. Belarus wird aber ein militärischer Stützpunkt für Russland bleiben. Die gemeinsamen Übungen der der Armeen beider Länder werden weitergehen und sich intensivieren. Von weißrussischem Territorium aus werden weiterhin Luftangriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine durchgeführt werden. Aber die Stiefel weißrussischer Soldaten auf ukrainischem Boden bleiben eher unwahrscheinlich.
Dieser Kommentar ist als Gastbeitrag am 5.1.2023 auf focus.de erschienen (https://www.focus.de/politik/ausland/gastbeitrag-von-gerhard-mangott-warum-lukaschenko-sich-einen-kriegseintritt-nicht-leisten-kann_id_182219841.html)
Photo credit: https://www.rferl.org/a/belarus-ukraine-war-mobilization-rumors-lukashenka-putin/32084748.html