Droht Georgien und Moldawien militärische Gefahr von Russland?

„Wir empfehlen dem georgischen Volk, sich an eine ähnliche Situation in der Ukraine im Jahr 2014 zu erinnern und daran, wozu sie letztendlich führte!“ Mit dieser Äußerung hat das russische Außenministerium Georgien nach den Anti-Regierungsprotesten unverhohlen mit einer Invasion gedroht. In Georgien waren Proteste gegen ein von der Regierungspartei „Georgischer Traum“ vorgelegtes Gesetz über die Einführung des Status eines „ausländischen Agenten“ für NGOs, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, ausgebrochen. Die Demonstrationen hatten indirekt auch einen antirussischen Charakter.

Die russische Äußerung war typisch für das Auftreten dieser Großmacht. Russland wirbt nicht um Zustimmung, versucht nicht, mit weicher Macht Anerkennung zu finden, sondern droht offen, getreu dem Grundsatz: „Mögen sie mich hassen, solange sie mich fürchten“. Auch wenn dieser Ansatz seit vielen Jahren keine fruchtbaren Ergebnisse bringt, hält Russland arrogant daran fest. Russland setzt nicht auf die Macht der Überzeugung, sondern auf die Macht des Zwangs.

Gleichwohl ist es auch nur eine hohle Drohung. Russland hat nicht die militärische Kraft, an zwei Fronten Krieg zu führen. Die russische Armee wurde im Krieg in der Ukraine deutlich entzaubert. Die Kräfte dort sind, in krasser Überdehnung, nicht mehr zu großen Geländegewinnen fähig. Im Gegenteil, die russische Armee muss dort erfolgreiche ukrainische Gegenoffensiven fürchten. Schon jetzt ist der Großteil des russischen Heeres in der Ukraine stationiert. Da reichen die Kräfte Russlands in Georgien nur dazu, die separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien gegen einen georgischen Rückeroberungsversuch abzusichern.

Eigentlich ist es genau andersrum. Die ukrainische Regierung hat ein Interesse daran, dass Georgien eine zweite Front gegen Russland eröffnet. Russland würde dann militärisch völlig überfordert sein und die Ukraine an der Front im eigenen Land ein wenig entlasten. Die gegenwärtige georgische Regierung hat kein Interesse an einer militärischen Konfrontation mit Russland. Die derzeitige Opposition aber könnte dem Verlangen erliegen, die von Russland besetzten separatistischen Regionen zurückzuerobern. Die Gelegenheit könnte als günstig erscheinen, nachdem Russland sich nahezu vollständig auf die Front in der Ukraine konzentrieren muss.

Ebenso wenig zu befürchten ist ein russisches militärisches Ausgreifen nach Moldawien. Wäre es den russischen Streitkräften im vergangenen Jahr gelungen, die Region Odessa zu erobern und damit eine Landbrücke bis zum Separatistengebiet Transnistrien in Moldawien zu bilden, wäre dieses Szenario noch wahrscheinlich gewesen. Genau das aber ist der russischen Seite nicht gelungen; und es wird ihr auch nicht mehr gelingen. Es wäre eine strategische Dummheit, wenn Russland in der derzeitigen Konstellation versuchen würde, militärisch Moldawien anzugreifen.

Russland versucht hingegen, die innenpolitische Lage in Moldawien zu destabilisieren. Die westfreundliche Regierung von Präsidentin Maia Sandu soll durch eskalierende Massenproteste gestürzt werden und russlandfreundliche Kräfte an die Macht bringen. Russland agiert hier im Verbund mit moldawischen Oligarchen wie Ilan Shor und Vladimir Plahotniuc, die eigene Interessen an einem Regierungssturz haben. Moldawien ist also von russischer Unterwanderung und Destabilisierung betroffen, aber es droht kein militärischer Angriff Russlands. Auch hier gilt, dass eine militärische Eskalation im Interesse der Ukraine wäre.

Natürlich ist die russische Führung auch in der innenpolitischen Szenerie Georgiens aktiv. Mit der derzeitigen Führung kann Moskau gut leben und Russland stärkt sie indirekt. Russland mischt sich also sehr stark in die inneren Verhältnisse Georgiens und Moldawiens ein. Eine militärische Aktion Russlands ist aber nicht zu erwarten.

 

Dieser Kommentar ist am 15.3.2023 auf focus.de erschienen (

„Wir empfehlen dem georgischen Volk, sich an eine ähnliche Situation in der Ukraine im Jahr 2014 zu erinnern und daran, wozu sie letztendlich führte!“ Mit dieser Äußerung hat das russische Außenministerium Georgien nach den Anti-Regierungsprotesten unverhohlen mit einer Invasion gedroht. In Georgien waren Proteste gegen ein von der Regierungspartei „Georgischer Traum“ vorgelegtes Gesetz über die Einführung des Status eines „ausländischen Agenten“ für NGOs, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, ausgebrochen. Die Demonstrationen hatten indirekt auch einen antirussischen Charakter.

Die russische Äußerung war typisch für das Auftreten dieser Großmacht. Russland wirbt nicht um Zustimmung, versucht nicht, mit weicher Macht Anerkennung zu finden, sondern droht offen, getreu dem Grundsatz: „Mögen sie mich hassen, solange sie mich fürchten“. Auch wenn dieser Ansatz seit vielen Jahren keine fruchtbaren Ergebnisse bringt, hält Russland arrogant daran fest. Russland setzt nicht auf die Macht der Überzeugung, sondern auf die Macht des Zwangs.

Gleichwohl ist es auch nur eine hohle Drohung. Russland hat nicht die militärische Kraft, an zwei Fronten Krieg zu führen. Die russische Armee wurde im Krieg in der Ukraine deutlich entzaubert. Die Kräfte dort sind, in krasser Überdehnung, nicht mehr zu großen Geländegewinnen fähig. Im Gegenteil, die russische Armee muss dort erfolgreiche ukrainische Gegenoffensiven fürchten. Schon jetzt ist der Großteil des russischen Heeres in der Ukraine stationiert. Da reichen die Kräfte Russlands in Georgien nur dazu, die separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien gegen einen georgischen Rückeroberungsversuch abzusichern.

Eigentlich ist es genau andersrum. Die ukrainische Regierung hat ein Interesse daran, dass Georgien eine zweite Front gegen Russland eröffnet. Russland würde dann militärisch völlig überfordert sein und die Ukraine an der Front im eigenen Land ein wenig entlasten. Die gegenwärtige georgische Regierung hat kein Interesse an einer militärischen Konfrontation mit Russland. Die derzeitige Opposition aber könnte dem Verlangen erliegen, die von Russland besetzten separatistischen Regionen zurückzuerobern. Die Gelegenheit könnte als günstig erscheinen, nachdem Russland sich nahezu vollständig auf die Front in der Ukraine konzentrieren muss.

Ebenso wenig zu befürchten ist ein russisches militärisches Ausgreifen nach Moldawien. Wäre es den russischen Streitkräften im vergangenen Jahr gelungen, die Region Odessa zu erobern und damit eine Landbrücke bis zum Separatistengebiet Transnistrien in Moldawien zu bilden, wäre dieses Szenario noch wahrscheinlich gewesen. Genau das aber ist der russischen Seite nicht gelungen; und es wird ihr auch nicht mehr gelingen. Es wäre eine strategische Dummheit, wenn Russland in der derzeitigen Konstellation versuchen würde, militärisch Moldawien anzugreifen.

Russland versucht hingegen, die innenpolitische Lage in Moldawien zu destabilisieren. Die westfreundliche Regierung von Präsidentin Maia Sandu soll durch eskalierende Massenproteste gestürzt werden und russlandfreundliche Kräfte an die Macht bringen. Russland agiert hier im Verbund mit moldawischen Oligarchen wie Ilan Shor und Vladimir Plahotniuc, die eigene Interessen an einem Regierungssturz haben. Moldawien ist also von russischer Unterwanderung und Destabilisierung betroffen, aber es droht kein militärischer Angriff Russlands. Auch hier gilt, dass eine militärische Eskalation im Interesse der Ukraine wäre.

Natürlich ist die russische Führung auch in der innenpolitischen Szenerie Georgiens aktiv. Mit der derzeitigen Führung kann Moskau gut leben und Russland stärkt sie indirekt. Russland mischt sich also sehr stark in die inneren Verhältnisse Georgiens und Moldawiens ein. Eine militärische Aktion Russlands ist aber nicht zu erwarten.

 

Dieser Kommentar ist am 14.2.2023 auf focus.de erschienen (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/gastbeitrag-von-gerhard-mangott-putin-ministerium-droht-georgien-dabei-gibt-es-fuer-kreml-eine-andere-gefahr_id_188308728.html)

Photo credit: https://edition.cnn.com/2023/03/08/europe/georgia-protests-wednesday-intl/index.html

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