Es grenzte schon an Arbeitsverweigerung. Lange Zeit hatte sich Vladimir Putin nicht mehr zum Krieg geäußert, den er mutwillig entfesselt hatte. Zur „speziellen Militäroperation“ natürlich, so noch immer die Sprachregelung in Russland. Vor wenigen Tagen hat sich Putin dann mit den Kriegskorrespondenten russischer Medien getroffen und ausführlich zum Krieg gesprochen. Gesagt hat er dabei fast nichts, nichts Konkretes jedenfalls.
Das zeigte schon seine Antwort auf die Frage eines Journalisten, ob sich an den Kriegszielen Russlands etwas verändert habe. Putin hatte dazu keine bzw. widersprüchliche Antworten. Er sprach zwar von Anpassungen der Kriegsziele, dann aber wieder davon, dass sich die grundlegenden Ziele nicht geändert hätten. Putin wörtlich: „Nein, sie ändern sich je nach aktueller Lage, aber im Ganzen ändern wir natürlich nichts, sie haben für uns grundlegenden Charakter.“ Er erklärte aber eben nicht, was denn nun seine Pläne in diesem Krieg sind, welche konkreten Ziele erreicht werden sollen. Putin wollte oder konnte sich nicht festlegen. Führungsleistung schaut anders aus. Die Unterredung wurde im russischen Fernsehen direkt übertragen; es gibt sicherlich zahlreiche russische Bürger, die auf die Kriegsziele gerne eine konkrete Antwort gehabt hätten.
Im Gespräch verneinte Putin die Notwendigkeit einer neuerlichen Mobilisierung von Reservisten. Jedenfalls nicht zur gegebenen Zeit. Ob es dazu kommt, hänge von den russischen Zielen ab. Diese definiere er selbst. Aber darüber hatte er ja nichts gesagt. Bei bestimmten Zielen, die der russische Bürger aber nicht erfahren darf, könnte es eine Mobilisierung geben. Erneut ein verwirrendes Zaudern Putins in einer sehr wichtigen Angelegenheit.
Gefragt nach einem möglichen russischen Vorstoß, sollte die ukrainische Gegenoffensive abgewehrt werden könne, konnte auch der geneigte Zuseher nur noch ungläubig den Kopf schütteln. Denn was Putin dazu gesagt hat, war schlichtweg wirr: „Wir haben Pläne unterschiedlicher Art je nach der Situation, die dann entstehen wird, wenn wir es für erforderlich halten werden, etwas zu tun.“ Ähnlich unklar äußerte sich der seltsame Präsident zur Frage, was die Führung gegen die militärischen Angriffe auf russische Grenzgebiete unternehmen werde. Putin meinte, möglicherweise könnte durch die russische Armee eine Pufferzone auf ukrainischem Gebiet geschaffen werden. Man werde aber nicht sofort damit beginnen, sondern – Sie ahnen es – abwarten, wie sich die Lage entwickeln werde.
Putin zeigte sich bisweilen nicht oder falsch informiert. Er war aber völlig zufrieden mit dem bisherigen Kriegsverlauf. In der russischen Führung wird behauptet, der „kollektive Westen“ führe gegen Russland einen totalen Krieg; im Gespräch mit den Journalisten aber nannte er die westlichen Länder „verlöschende Gesellschaften“. Also keine Gefahr, der Westen wird an sich selbst scheitern und das mutige, entschlossene Russland nicht besiegen können.
Am Ende der Unterredung war wohl nur einer zufrieden – Putin selbst. Den Bürgern blieb Putin alle Antworten schuldig. Er hat Russland in diesen Krieg gestoßen, den er sich gar nicht „Krieg“ zu nennen getraut. Was in wenigen Wochen erfolgreich vorüber sein sollte, geht nun in den 16. Monat unerbittlicher Kämpfe. Strategisch hat Russland diesen Krieg – gemessen an den anfänglichen Zielen – längst verloren. Dutzende Tausend russische Soldaten sind gefallen. Aber Putin findet in dieser Situation keine richtigen Worte, erhoffte Führungsstärke und klare Ansagen bleiben aus. Putin wollte nichts über seine Pläne verraten. Vielleicht weiß er auch selbst nicht, was er in den nächsten Monaten tun will. Das wäre verheerend. Aber diesem seltsam anmutenden, alternden Führer, der sich beständig windet, ist auch das durchaus zuzutrauen.
Dieser Kommentar ist als Gastbeitrag am 17.6.2023 auf focus.de erschienen.
Photo credit: https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/putins-treffen-mit-militaerbloggern_id_196642749.html
Die Kriegsziele Russlands, Herr Mangott, kann jedes Kind, das will, nachlesen.
Dass ausgerechnet ein Politik -wissenschafter zu schwurbeln beginnt, ….. entschuldigen Sie, ich hab Ihren bizarren Kommentar nicht zu Ende gelesen.
Putin schwurbelt. Prof. Mangott schildert das anhand eines anscheinend kürzlich im Juni 2023 erfolgten Treffens mit russischen Kriegskorrespondenten. Es ist meines Erachtens nicht ganz unwichtig zu beobachten, ob sich eine Änderung der Kriegsziele abzeichnet bzw. eine Änderung der offiziellen russischen Verlautbarungen – auch wenn es keine neuen spannenden Erkenntnisse gibt.